Annika Brockschmidt, Amerikas Gotteskrieger
Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet
Der Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 enthüllte dem staunenden deutschen Publikum ein buntes Bild von Irren, die davon faselten, den damaligen republikanischen Vizepräsidenten Mike Pence und die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi und andere zu töten. Ein merkwürdig bunter Haufen von Trump-Unterstützern, Schamanen, Christen und Para-Militärs hatte sich da zusammengetan, um das Wahlergebnis anzufechten und die Abwahl von Donald Trump zu verhindern. All diesen Merkwürdigkeiten trat letztlich das demokratische Amerika entgegen und setzte den gewählten Präsidenten ein. Ein Sieg der Demokratie?
Liest man die Analyse von Annika Brockschmidt (@ardenthistorian), #AmerikasGotteskrieger, dann enthüllt sich dem Leser ein anderes Bild. Denn die allermeisten Protagonisten kommen aus oder liebäugeln mit starken Institutionen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie ihre Machtansprüche religiös motivieren. Annika Brockschmidt zeigt in ihrem Buch nicht nur die historischen Entwicklungen der religiösen Rechten auf, sondern schockt den Leser mit einer genauen Beschreibung der aktuellen Akteure, wie sie sich in das Herz der Demokratie der USA schummeln und mit immer neuen Initiativen das zermürben, was demokratische Prozesse ausmachen: Offenheit, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, sich auf andere einzulassen. Hat man das Buch beendet, so folgt man der Autorin in ihrem Ergebnis, dass nämlich die antidemokratischen Kräfte zunehmend an Macht gewinnen und in Richtung auf eine Diktatur, vielleicht sogar auf eine Form des Faschismus zugehen. So gesehen wäre dann der Sturm auf das Kapitol in Washington mit Mussolinis Marsch auf Rom vor hundert Jahren zu vergleichen.
In der Erzählung „Der entwendete Brief“ beschreibt Edgar Allan Poe die vergebliche Suche der Polizei nach einem Erpresserbrief im Haus des Täters. Sie findet den Brief in keinem Versteck des Hauses. Warum? Der Brief war gar nicht versteckt, sondern lag offen auf dem Schreibtisch. Was Poes Detektiv durch eine genaue Analyse erreicht: Er enthüllt das Versteckte im Offensichtlichen. So gesehen kann man auch das Buch von Annika Brockschmidt als eine Enthüllung ansehen, die einen schaudern lässt.
Ich lese gerade „Die letzten Männer des Westens“, eine Undercover-Recherche in allen möglichen Männerbünden. Das geht in eine ähnliche Richtung. Ich halte das für eine sehr gefährliche, antidemokratische, Frauen- und Minderheiten-hassende Entwicklung, bei der ein paar
vom eigenen Testosteron ganz besoffene Typen profitieren, die gar nicht die soziale Kompetenz besitzen, um Demokratie überhaupt nur denken zu können
In Zeiten wie diesen mit ihren Unsicherheiten der Klimakatastrophe und der Corona – Pandemie, aber auch des digitalen Wandels, greifen solche Leute auf alte Überzeugungen von einer Vergangenheit zurück, die es niemals so gegeben hat. Demokratie ist Ihnen zu anstrengend. Da greift man lieber auf Führer wie Donald Trump zurück. Eine erbärmliche Welt tut sich darauf, befeuert durch die sozialen Medien.